Train the trainer! Fester Bestandteil der Vorbereitung auf den Frühstücksbus ist das Kommunikationstraining für unsere Dialogbotschafter:innen. Wie sie so ein Training selbst leiten können, lernen unsere Mitglieder beim Multiplikator:innen-Workshop. Wie läuft so ein Lehrgang ab? Und was hat das Ganze mit Selbsterfahrung zu tun? Unsere Mitarbeiterin Julia berichtet von ihren Erlebnissen.
Samstagmorgen, 9 Uhr. Gespannt sitze ich am Laptop. Gespannt, und um ehrlich zu sein, auch ein bisschen müde. War das wirklich so eine gute Idee, mich freiwillig für einen neunteiligen Workshop anzumelden? Und dann auch noch am Wochenende? Ich klicke auf „Raum betreten“ und bin mittendrin im Frühlingserwachen-Multiplikator:innen-Workshop.
Die Idee des Workshops gibt es schon länger. Vor jedem Frühstücksbus findet ein Kommunikationstraining statt, in dem unsere Dialogbotschafter:innen lernen, wie sie am besten mit Menschen ins Gespräch kommen, Dialoge auf Augenhöhe führen und mit herausfordernden Situationen umgehen. Das Programm für das Frühstücksbus-Kommunikationstraining hat uns Proficoach und Frühlingserwachen-Mitglied Frank Labitzke eigens auf den Leib geschneidert und bisher auch immer selbst durchgeführt. Unser Verein ist in den letzten Jahren allerdings so sehr gewachsen, dass es für Frank zunehmend schwieriger wurde, alle Veranstaltungen weiterhin persönlich abzuhalten. So entstand die Idee, weitere Trainer:innen auszubilden, die als Multiplikator:innen unsere Auffassung des respektvollen Dialogs weitertragen können.
Jetzt geht es also los. Wir beginnen mit einer Vorstellungsrunde in kleinen Gruppen. Die neun Teilnehmenden sind überall verstreut: Luca sitzt in München, Fritzi wie ich in Berlin, und Caro macht sogar von ihrem Auslandssemester in Israel aus mit! Frank leitet das Ganze von Friedrichshafen aus, dem Geburtsort von Frühlingserwachen. Es stellt sich heraus, dass ich nicht die Einzige bin, die heute Morgen Probleme hatte, aus dem Bett zu kommen. Auch Iulia wäre lieber liegengeblieben, Meggie sitzt sogar in ihrer Schlafanzughose vorm Computer.
Es geht los mit der ersten Input-Runde. Zu meiner Überraschung fangen wir mit einer psychologischen Theorie an: Der Transaktionsanalyse. Warum handeln Menschen so, wie sie handeln? Was läuft dabei an inneren Prozessen ab, und wie äußern sich diese im Miteinander? Frank erklärt, dass wir uns als Workshopleitende auch über solche Aspekte Gedanken machen müssen. Das wird uns besonders in herausfordernden Situationen helfen: Was könnten wir anders machen? Warum gibt es gerade Schwierigkeiten mit einzelnen Teilnehmenden? Wie unterstützen wir unsere Mitglieder am effektivsten auf ihrem Weg zum:zur Dialogbotschafter:in?
In den nächsten Sitzungen am folgenden Wochenende beschäftigen wir uns konkreter mit unserer Rolle als Workshopleitende. Wir lernen, warum es für unsere Zwecke besser ist, anstelle von PowerPoint ein Flipchart zu verwenden. Dass es wichtiger ist, genug Raum für Fragen zu lassen, als alle Themen bis ins kleinste Detail darzulegen. Und wieso es entscheidend ist, ein Gemeinschaftsgefühl im Team zu erzeugen. Gerade bei der Online-Version des Workshops kann das eine besondere Herausforderung sein. Wir besprechen und probieren verschiedene Spiele zum Kennenlernen aus, die auch beim digitalen Training
den Gruppenzusammenhalt fördern können.
Nach der Weihnachstpause sind wir dann selbst dran: Von vorne bis hinten proben wir den Ablauf des Kommunikationsworkshops. Dabei wechseln wir uns mit der Leitung des Kurses ab. Vor der Durchführung meiner Einheit bin ich sehr nervös. Ich habe zwar schon an einigen Freund:innen geübt; aber die kannten den Trainer:innenleitfaden ja auch nicht und merkten nicht, wenn etwas anders lief als geplant. Tatsächlich bringt Leo mich mit einer unerwarteten Frage direkt zu Beginn aus dem Konzept, und ich gerate gewaltig ins verbale Straucheln. Es dauert ein ganzes Weilchen, bis ich meinen Faden wiedergefunden habe. Ich bin froh, dass mir das in diesem geschützten Raum passiert und nicht bei einem tatsächlichen Training. Trotzdem ärgere ich mich: Ich wollte doch alles perfekt machen!
Woran das liegt, erfahre ich wenig später. Mithilfe eines Fragebogens ermitteln wir, was unsere „inneren Antreiber“ sind, die unser Handeln motivieren und beeinflussen. Wir besprechen, wo uns diese Antreiber möglicherweise im Wege stehen, aber auch, wie wir uns dieses Wissen zunutze machen können. Ich zum Beispiel möchte alles perfekt machen und dabei von allen gemocht werden. Das ist prinzipiell nichts Schlechtes. Gleichzeitig kann es mich als Seminarleiterin hemmen, wenn ich diesen Zielen alles andere unterordne.
Gerade die Sache mit den „inneren Antreibern“ beschäftigt mich eine ganze Weile. Wer hätte gedacht, dass Frühlingserwachen-Multiplikatorin sein so viel mit Selbsterfahrung zu tun hat? Auch wenn es anstrengend ist – langsam ahne ich, dass es sich allemal lohnt, mich Samstagsmorgens aus dem Bett zu quälen und so viel zusätzliche Zeit vor dem Laptop zu verbringen. Ich lerne nicht nur, wie ich Workshops leite, sondern auch viel darüber, wie Kommunikation und zwischenmenschlicher Kontakt funktioniert. Und nicht zuletzt auch eine Menge über mich selbst.