Vier Stationen, dutzende Liter Kaffee und über 270 Gespräche – Das ist die Bilanz des Münchner Frühstückbusses im September 2020. Lest hier von den Eindrücken unserer Dialogbotschafter:innen auf ihrer Tour durch die bayerische Landeshauptstadt.
Am ersten Tag des Münchner Frühstücksbusses vor dem Pasinger Rathaus ist Meggie sehr nervös: „Wie wird das wohl? Wem werde ich begegnen? Wird es auch schwierige Situationen geben?“ Meggie ist neu bei Frühlingserwachen, heute ist ihr erster Einsatz für den Frühstücksbus. Gut vorbereitet fühlt sie sich, sagt sie, schließlich haben alle Helfer:innen ein umfangreiches Kommunikationstraining absolviert, zugeschnitten auf den Einsatz als Dialogbotschafter:in. „Aber so ein bisschen Grundnervosität ist natürlich trotzdem da. Wie beginne ich ein Gespräch? Werden sich die Menschen tatsächlich mit mir unterhalten wollen?“
Das wollen sie in der Tat. Kaum sind Aufsteller, Tische und Leckereien aufgebaut, halten die ersten Passant:innen interessiert vor den bunten Plakaten inne. Der Kaffee ist wirklich umsonst? Und hier wird wirklich für nichts geworben, niemand will was verkaufen? „Es fällt den Menschen zunächst oft schwer zu glauben, dass es uns tatsächlich um den Dialog an sich geht und wir für nichts werben wollen außer für Gemeinschaft und Vielfalt“, erzählt Luca, der bereits seit fünf Jahren mit dem Frühstücksbus unterwegs ist.
Die Themen der Unterhaltungen sind so abwechslungsreich und vielfältig wie die Gesprächsteilnehmenden: Von den Vorzügen des Lebens in München über den Eindruck, sich politisch nicht ausreichend vertreten zu fühlen bis hin zu dem Gefühl, von der Gesellschaft vergessen worden zu sein. „Ich war wirklich überrascht von der Offenheit vieler Menschen“, sagt Meggie. „Einige haben mir ihre Lebensgeschichten erzählt, das waren oft sehr heftige und bewegende Schicksale!“ Immer wieder geht es auch um die Corona-Pandemie. Die Schwierigkeiten während der ersten Phase im Frühjahr, der Einfluss der Einschränkungen auf den persönlichen Alltag und die Sorge vor einer zweiten Welle sind Inhalte vieler Gespräche.
Auch bei der Organisation des Busses nahmen die pandemiebedingten Einschränkungen und der Infektionsschutz großen Raum ein. Um nicht zwingend notwendige Reisen zu vermeiden, fand das sechsstündige Kommunikationstraining für die Helfer:innen nicht wie sonst als Präsenzveranstaltung, sondern als Online-Seminar statt. Um die Sicherheit aller Gesprächsteilnehmenden gewährleisten zu können, wird an den Stationen des Busses ein strenges Hygienekonzept umgesetzt. „Wir hatten zunächst Sorgen, dass sich das Tragen von Masken oder das Einhalten des Sicherheitsabstandes vielleicht negativ auf die Gesprächssituation auswirken könnten“, erzählt Luca, „Die haben sich aber relativ schnell als unbegründet herausgestellt. Alles hat trotz der schwierigen Umstände sehr gut funktioniert.“
Nicht nur der Infektionsschutz, sondern auch das Wetter macht es dem Team nicht immer leicht. „Wir haben quasi den Jahreszeitenwechsel live am eigenen Leib miterlebt“, lacht Meggie. Am ersten Tag in Pasing reicht noch ein Pulli; an der letzten Station des Busses in Hadern können auch fünf Kleidungsschichten Kälte, Wind und Regen nicht abhalten. „Als dann die Pavillons wackelten und die Flyer sich in alle Himmelsrichtungen verabschiedeten, war das schon eine ziemliche Herausforderung!“
Und was ist das Fazit nach vier Stationen, dutzenden Litern Kaffee und über 270 Gesprächen? „Ich hatte rührende Gespräche mit Obdachlosen, Alleinerziehenden und Mitgliedern verfolgter Minderheiten“, sagt Luca. „Gleichzeitig habe ich aber auch eine teilweise besorgniserregende Stimmung und Diskursverschiebung wahrgenommen. Vor allem in Bezug auf Fremdenfeindlichkeit, Corona und Rechtsstaatlichkeit. Die letzten Tage haben mir wieder gezeigt, wie wichtig Demokratie- und Dialogprojekte sind.“ Auch Meggie hat das Gefühl, dass gerade jetzt Austausch und Verständigung so wichtig sind wie nie: „Die Menschen haben großen Redebedarf, das ist mir bei allen meinen Dialogpartner:innen aufgefallen. Es tut ihnen gut, dass jemand zuhört und ihnen das Gefühl gibt, verstanden zu werden.“ So kommt Meggie nach vier intensiven und bereichernden Tagen zu dem Schluss: „Wenn wir uns alle mit Offenheit und gegenseitigem Respekt begegnen, gehen am Ende alle mit einem besseren Gefühl aus dem Gespräch.“